Sonntag, 5. Juli 2009

Wege übers Land

Der FS Sender RBB bereitete den älteren ostdeutschen ZuchauerInnen gestern einen besonderen Genuss: Er brachte den dreiteiligen DDR-FS-Film "Wege übers Land" aus dem Jahre 1968. Allein um die namhaften SchauspielerInnen Ursula Karusseit, Manfred Krug, Erik S. Klein, Armin Müller-Stahl, Erika Pelikowsky, Angelika Domröse, Maja Antoni, die meisten noch sehr jung, aber bereits überzeugende KönnerInnen, wieder agieren zu sehen, war es wert, viereinhalb Stunden vor dem Fernsehen zuzubringen. Der Film, ...

der sich auf das Buch von Sakowski stützte, hatte aber auch außer erstklassiger Schauspielkunst etwas zu bieten, das bereits damals und erst recht heute Seltenheitswert hat: Eine unaufdringlich humanistische Gesinnung. Niemand, nicht die versoffene Kätnerin, noch die standesbewusste alte Großbäuerin, nicht der landlose Bauer und Arbeitsdienstfunktionär oder Armin Müller-Stahl als Mitarbeiter des Gauleiters Funk in Polen wird als menschliche Wesen preisgegeben. Keiner wird zum Papiertiger. Wiewohl das NS-Regime im Film keine seiner Scheußlichkeiten verbirgt, unterlassen die Produzenten jegliche naturalistische Sensationshascherei. Umso deutlicher wird die Leistung derer sichtbar, die den gefährlichen Schritt in die Zivilcourage tun und wie die Kätnerstochter Gertrud (Karusseit)sich eines jüdischen Kindes annimmt, dessen Leben und das eines weiteren Kindes sie konsequent und gegen alle Fährnisse des Regimes und des Krieges erfolgreich verteidigt. Selbst aus den KommnistInnen werden keine Superstar-Helden gemacht. Dies ist vor allem das Verdienst von Manfred Krug, der in jeder Sequenz des Films nachvollziehbar macht, warum für zahlreiche junge Ostdeutsche in den ersten Jahrzehnten der DDR Leute wie der von ihm verkörperte junge Kommunist nachahmenswürdige Vorbildfunktionen ausübten. So unpathetisch, lakonisch und unpropagandistisch wie der Beginn des Films ist auch sein Schluss: Manfred Krug zwingt die Großbauern durch einen geistreichen Trick, Milch für die Ernährung der hungernden Flüchtlingskinder abzugeben. Die neue Zeit beginnt also nicht nur mit Hunger und Elend. Sie zeigt auch ihre (leider später verspielten) menschliche Potenz.