Samstag, 7. November 2009

Jubiläumssplitter

Wie ist uns in DDR-Zeiten die siegesbewusste Selbstbeweihräucherung auf die Nerven gegangen, die bei den verschiedenen Jubiläen von allen Medien über das Volk ergossen wurde! Da wussten wir natürlich noch nicht, dass der Westen uns auch auf diesem Gebiet entschieden überlegen ist.
Seit Jahresbeginn wird von der Mainstream Presse und dem FS dem Volk unermüdlich gepredigt, ...

dass die DDR sogar ein viel unrechterer Unrechtsstaat war als die UdSSR. So habe es prozentuell viel mehr Stasi- als KGB-Spitzel gegeben, behauptete ein Reporter einer Phoenix-Sendung, der wohl kaum über verlässliche Zahlen der Zuträger beider Dienste verfügen dürfte. Und natürlich war der DDR-Geheimdienst ganz anders und viel schrecklicher als alle Geheimdienste der westlichen Welt wie auch das Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen viel schrecklicher war als Guantanamo.
Keine Talkshow ließ das Thema aus; wenn sich in einer solchen einmal ein ostdeutscher Kabarettist ein etwas ausgewogeneres Urteil über den längst verwesten deutschen "Unrechtstaat" herausnahm, waren gleich "kompetente" Politikfachmänner zur Hand, deren pauschale Behauptungen vom wirtschaftlichen Zusammenbruch der DDR (Die DDR hatte zwei Millionen Schulden! Zwei Millionen, nicht 200 Milliarden.) man doch wohl glauben müsse.
Herr Hubertus Knabe rügte im DFunk mit drohendem Unterton, dass von ostdeutschen SchülerInenen sein geschichtsbildendes Institut so viel weniger frequentiert werde als von westdeutschen. Könnte es sein, das sich diese lieber von ihren Eltern anstatt
von Herrn Knabe historisch bilden lassen? Und könnten größere Teile dieser Elternschaft durch ihre Erfahrungen in zwei Gesellschaftsordnungen ebenso unbereit sein, die medialen Pauschalurteile zu akzeptieren wie sie (bzw. ihre Eltern) es vor zwanzig Jahren bezüglich der DDR-Mentholzigaretten- und anderen Lügen waren?
Ein Hauch einer Ahnung, dass zu viel Schwarzmalerei ins Gegenteil umschlagen könnte, scheint unseren Medien in den letzten Vorjubiläumstagen gekommen zu sein. So nahmen wir bei Herrn Plasberg dankbar zur Kenntnis, dass auch die politische Bildung der Wessis insofern zu wünschen übrig lasse, als alle Befragten einer Recherche Helmut Kohl als Schöpfer der "Wende" benannten. Nur eine Frau meinte, sie sei dem Volk zu danken.
In den letzten Tagen wurde die Vereinigungs-Geschichtschreibung immerhin durch ein Zugeständnis an die Wahrheit bereichert: In der "Berliner Zeitung" heißt es, dass die Ostdeutschen in den Novembertagen 1989 "dem Sozialismus noch einmal etwas Träumerisches zu verleihen" suchten. Aber sobald die Menschen dank Günter Schabowski Gelegenheit hatten, "die Alternative jenseits der Grenze zu studieren", wählten 75% von ihnen im März 1990 die von CDU, SPD und FDP (also vom westdeutschen Establishment)unterstützten Parteien und damit "den Weg in die Einheit". Ich erinnere mich allerdings nur an 40% der Stimmen und damit an den Wahlsieg der "Allianz für Deutschland", was rechnerisch nicht die Mehrheit des Volkes war. Weder die WählerInnen der DDR-Bauernpartei, noch der SDP (der DDR-SPD), der Grünen, schon gar nicht die SED-PDS-Wähler, also einer damals von etwa so vielen Personen gewählten Partei wie die heutige "Volkspartei" SPD, oder die WählerInnen anderer linken Gruppierungen identifizierten sich damals mit den Plänen der vom westdeutschen Establishment gesponserten Allianz. Was natürlich an der realen politischen Niederlage derer, die den Gallop in die Einheit aus guten Gründen nicht wollten, nichts ändert.
Der Wunsch nach einem "Sozialismus mit menschlichem Antlitz", der Massen in der DDR zur Reform des repressiven Regimes motivierte, wird also in unseren Medien neuerdings nicht mehr völlig ausgeblenedet. Aber dieser Sozialismus war, wie uns der westdeutsche Journalist Harald Jähner in seinem zwei-Seiten-Artikel in der "Berliner Zeitung" erklärt, seit der Wahl im März 1990 "eine mausetote Idee" und hat sich auch nach zwanzig Jahren nicht wieder erholt. "Der Menschheitstraum" ist "zu Asche verfallen und eine Melancholie [ist] entstanden", die sich viele der ehemaligen DDR-Bürger, "vor allem Künstler und Intellektuelle, bis heute als Überlegenheit anrechnen".
Warum wohl wird für eine seit zwanzig Jahren mausetote, zu Asche zerfallene Idee so viel PR-Arbeit geleistet?

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Dienstag, 3. November 2009

Reisebericht aus dem Nahen Osten

Ziele der Reise des Abgeordneten Norman Paech (Die Linke) nach Palästina und Israel vom 3. bis 10. Oktober 2009 waren Gespräche mit Politikern und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen (NGO) über die politische und gesellschaftliche Situation in Israel und Palästina in Tel Aviv, dem Gazastreifen, Jerusalem, Ramallah und Bil’in.
Der tiefe Pessimismus fast aller Gesprächspartner über die Zukunft Palästinas ergab sich ...

aus dem mangelnden Verhandlungs- und Friedenswillen der gegenwärtigen israelischen Regierung, sowie dem fehlenden Einflusswillen der europäischen Regierungen und der US-Administration. Auch die Rolle Deutschlands wird von allen Gesprächspartnern als weit hinter den eigentlichen Möglichkeiten zurückbleibend angesehen. Verständnis für die Hypothek aus der deutschen Vergangenheit darf nicht die Duldung und Unterstützung einer offen völkerrechtswidrigen Besatzungs- und Siedlungspolitik sowie die Tatenlosigkeit gegenüber einem Krieg mit schweren Kriegsverbrechen und der immer noch andauernden Blockade des Gaza-Streifens mit seinen katastrophalen Auswirkungen auf die Bevölkerung legitimieren.
Mit ihrer Blockadepolitik gegenüber der Hamas ist die deutsche Außenpolitik in eine
äußerst problematische Abhängigkeit zur israelischen und US-amerikanischen Boykottstrategie geraten. Daraus resultiert auch, dass sie sich weigert anzuerkennen, dass ihre Vorwürfe gegen die Hamas schon deshalb nicht zutreffen, weil diese, indem sie die Bildung eines Staates in der Westbank und Gaza akzeptiert, de facto die Anerkennung Israels anerkennt.
Eine aktuelle Studie der CIA, prognostiziert, dass Israel die nächsten 20 Jahre als Staat nicht überleben wird, weil in dieser Zeit etwa 1,5 Mio. Juden das Land verlassen werden, auf der anderen Seite aber ein Großteil der arabischen Flüchtlinge in die besetzten Gebiete zurückkehren wird. Auch unabhängig davon schwindet auch unter den Palästinenserinnen und Palästinensern die Hoffnung auf eine Zwei-Staaten-Lösung, weil die ungebremste Siedlungstätigkeit und der offenkundige Annexionswillen der politischen Klasse in Israel keine territoriale Basis für einen separaten palästinensischen Staat übrig lässt.
Israels Siedlungs- und Annexionspolitik untergräbt selbst das Ziel eines separaten „jüdischen Staates“ und damit seine eigene Staatlichkeit. Die Regierungen, die das Existenzrecht Israels garantieren, gefährden dieses somit ebenfalls mit ihrer täglichen Politik.
Eine Situation, die kaum andere als gewalt- und unrechtfördernde Perspektiven eröffnet, sofern es nicht gelingt, die Einsicht in der Welt zu verbreiten, dass, wer den Wind sät, ganz gewiss Sturm ernten wird.

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Sonntag, 1. November 2009

Rahel - eine preussische Affaire. FS-Film bei ARTE 31.10.09, 21 Uhr

Welche Freude, einen Film zu sehen, der Geschichte nicht verfälscht und die handelnden Personen weder heroisiert noch verteufelt! Vom Leben der Salonière Rahel Varnhagen von Emse, geb. Levin (1771-1833) wird hauptsächlich die Zeit des ersten Salons in Berlin behandelt, den die Tochter eines jüdischen Kaufmanns vor 1812 betrieb. Er wurde standesübergreifend zum Treffpunkt ...

der damaligen preussischen Intelligenz und trug damit zur Verbreitung und Popularisierung der fortschrittlichsten Ideen der Zeit entscheidend bei.
Die Filmemacher bedienten sich der Korrespondenz der Rahel mit zeitgenössischen Wissenschaftlern, Künstlern, mit Bürgerlichen und Mitgliedern des Adels, die ihr späterer Ehemann Karl August Varnhagen von Emse nach ihrem Tode als ein Buch des Andenkens für ihre Freunde herausgab. Das verleiht dem Film Authentizität. Die wohltuend unaufdringlich aktualisierenden Kommentare (u.a. des Direktors des jüdischen Museums in Berlin) dienen als Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die KommentatorInnen gebärden sich nicht als Richter über die historischen Persönlichkeiten, sondern befördern durch sachliche Erläuterung der historischen Situation Verständnis und Respekt für deren Motive und vor allem für ihre Leistungen. Weil für alle am Film Beteiligten die Bemühungen Rahel Levins und der übrigen Salonièren zu Beginn des 19. Jahrhunderts, soziale und kulturelle Schranken zu überwinden, einen wichtigen kulturellen Fortschritt darstellen, weil sie mit einem historischen Standpunkt an das Thema herangingen und es nicht an aktuell politische Interessen anpassten, entstand ein Portrait dieser interessanten Frau, das ihr und ihrer Zeit gerecht wurde und zugleich einsichtig und unterhaltsam war.

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