Dienstag, 14. Dezember 2010

Hanna Behrend (1922 – 2010)

„Ich stelle mir vor, dass sich meine Oma am 30. November 2010 plötzlich an einem warmen Frühsommertag wiederfindet. Schmerzfrei und gut zu Fuß begibt sie sich einen kleinen Weg entlang und hinter einer Kurve steht mein Opa, wie er immer da stand, das Kinn leicht nach oben, als wolle er in den Himmel schauen und wartet. Er bemerkt sie, macht eine kleine Handbewegung und alle die Haustiere, die schon bei ihm sind, kommen herbei. Meine Oma lächelt ihn an. Er sagt: »Da bist du ja.« Und sie sagt: »Ich habe alles geregelt, sie trauern, aber es geht ihnen bald wieder gut. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen mich in guter Erinnerung behalten; an dich haben sie sich auch immer erinnert.« Dann machen sie mit den Hunden und Katzen einen Spaziergang.“

Katharina Gruhle, Berlin, 1. Dezember 2010

Schöner kann man es gar nicht sagen, als Katharina, die Enkelin es auf der Trauerkarte gesagt hat und etwas Besseres kann man einer außergewöhnlichen Großmutter gar nicht nachsagen. Es würde Hanna gefallen, denn es spendet uns auch Trost. Das Leben besteht aus vielen Spaziergängen, es macht viele Schleifen. Nicht immer sind es schmerzfreie Spaziergänge gewesen, die Hanna gegangen ist. Noch können wir es nicht glauben, dass sie am 30. November 2010, es muss ein grauer Novembertag gewesen sein, ihren letzte Spaziergang gegangen ist.

Hanna war nicht nur eine außergewöhnliche Oma, sie war auch eine außergewöhnliche Freundin und eine außergewöhnliche Rednerin und Schreiberin. Wir sehen sie vor uns, klein von Gestalt, groß in ihren Werken. Sie wusste, was sie wollte und konnte das hartnäckig verfolgen. Sie muss unermüdlich gearbeitet haben, von frühmorgens bis tief in die Nacht. Wir konnten das nachvollziehen, an den e-mails, den Telefonaten mit uns aber auch anhand der Besuche, bei denen wir ihren strengen Tagesablauf erleben durften. Sie empfing gerne Besucherinnen.

Wir haben sie doch erst vor Kurzem getroffen, als sie im Erkelenzdamm aus ihrem Buch gelesen hat oder gerade eben im Cafe Sybill, wo wir gemeinsam einem Zeitzeugen lauschten. Hanna sah aus wie immer: fein geschminkt und mit gebügelter Bluse und freute sich, dass sie noch arbeiten kann. Sie hatte noch einiges vor, was jetzt niemand mehr erledigen kann. Wir wollten sie noch vieles fragen und mit ihr besprechen und ihr noch vieles sagen. Sterben wollte sie noch nicht, deshalb kam es uns, trotz ihres erfüllten Lebens viel zu früh vor. Wir kennen sie seit der Zeit der Wende, die „Ostfrauen“ aus unserer Gruppe natürlich länger. Wir denken an unsere ersten Begegnungen. Wir waren neugierig aufeinander, lernten viel voneinander und es war stets eine Bereicherung, wenn wir uns trafen. Gemeinsam haben wir 1996 eine Bilanz unserer jeweiligen Träume und Realitäten in Angriff genommen, um einige Jahre später dann auch noch einmal zu versuchen, uns ein "gutes Leben" im Hier und Heute vorzustellen.

Sie wird uns allen fehlen. Wir trauern, aber wir würden ihr keinen Gefallen tun, wenn wir nicht weiter an unserer gemeinsamen Sache arbeiten würden. Bei unseren Spaziergängen, einzeln und zusammen, werden wir an sie denken. Wir behalten sie in guter Erinnerung.

Gisela Notz und Frauen aus dem Frauenforum Ökonomie und Arbeit


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Donnerstag, 2. Dezember 2010

Hanna ist tot

Bis weit über ihre körperlichen Grenzen hinaus ist Hanna gegangen in der letzten Etappe ihres Lebens, dem "sechsten Leben" in ihrer Zeitrechnung. Sogar der Herausforderung einer mehrstündigen Herzoperation hat sie sich noch gestellt vor drei Tagen, damit sie hinterher - von drei Bypässen unterstützt - ihr letztes Buch "Generation Aufbruch" hätte fertigstellen können; doch es blieb bei den sechs Leben - und Hanna hat sie wahrlich "erfüllt und aktiv zu Ende gebracht", genau so, wie sie es sich auf der letzten Seite ihrer Autobiographie "Die Überleberin" gewünscht hat.

Liebe Hanna, wir sind alle unsagbar traurig, Dich nicht mehr leibhaftig bei uns zu haben. Doch mit Deiner ganz besonderen Art, dieser Mischung aus Neugier und Unbeugsamkeit, Offenheit und Dickschädeligkeit, Großherzigkeit gegenüber anderen und Unbarmherzigkeit gegen Dich selbst, dazu Dein trockener englischer Humor, der Dich durch alle schweren Zeiten hindurch immer zuerst auch über Dich selbst lachen lassen konnte, ... mit alledem und noch viel mehr lebst Du unvergesslich in unserer Erinnerung fort.

Dazu verdanken wir Deinem hohen physischen und mentalen Anspruch an Dich selbst ein reiches schriftliches Vermächtnis, kundig, lebendig und detailliert.

Deiner Nachwelt Deine Erfahrungen, Gedanken und Überzeugungen weiterzugeben, hat Dich jeden Tag aufs Neue dazu angestachelt, Dich mit äußerster Disziplin an den Computer zu setzen und Geschichte zu schreiben: Deine eigene, die Deines vor vier Jahren verstorbenen Mannes Manfred, ja die einer ganzen Generation.

Du hast eine große Familie aufgebaut, inklusive vieler vierbeiniger Mitglieder, und noch Deine Urenkelkinder im Arm gehalten. Du hast "alles an Lust und Freude erlebt, das einer Frau zuteil werden kann", wie Du in der "Überleberin" schreibst. Auch alles an Schmerz und Leid.

Mehr geht wahrlich nicht in 88 Jahren. Jetzt darfst Du, endlich wieder mit Manfred vereint, mit Fug und Recht friedlich ruhen.

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Sonntag, 24. Oktober 2010

Searching for the lost future

One of the features of German unification in 1990 was the wholesale replacement of GDR elite by West German academics assisted by a minute fraction of ex-dissident East Germans. A considerable number of the displaced East German scholars, particularly in the fields of the social sciences and the arts, reacted to their elimination by founding a wealth of organisations, publishing houses and periodica. Thus they continued to publish and engage in academic ventures in their various fields. All these endeavours were, of course, situated outside the German mainstream and almost totally ignored by it.
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One of the organisations forming this “Subordinate Culture” was the Forum of Social Scientists founded in 1991. As one of its founding members, I was responsible for a publishing venture organised under that organisation’s umbrella, and sponsored by Humboldt University`s interdisciplinary centre for women`s studies, one of the very few achievements of the period of transition or the Wende that has survived to our days. The project was called Searching for the Lost Future. It was initiated in 1994 and had, by 2005, published a total of eighteen volumes. Authors and members of the editorial board were East and West German academics, most of them experts in sociology, economics, history, and psychology as well as literary scholars.
The books dealt with the changes that were taking place in gainful employment, with regard to gender and ethnicity, human and women’s rights, ecology and sustained economics, in respect of identity and civil rights movements.
Our motive was to provide readers who were deeply concerned with the state of a world in transition, troubled by the shattering defeat of their previous visions, and groping for new solutions with a popular presentation and up to date information on problems of importance to the future of mankind. We never aimed to provide our readers with readymade answers to all their questions but with adequate up to date knowledge concerning the topical debates on important social, political, economic and ecological problems. This should help them to arrive at an independent viewpoint and thereby increase their self-confidence.

Post-unification transition at GDR universities did not only bring about the end of the previous system of teaching and research. It also spelled the end of the indigenous reform efforts which had snowballed up in 1989 and their replacement by conservative West German standards in all fields of academia.
Thus the new era also put paid to the student-teacher cooperation in long term research projects which had been part of the curriculum in the English-American Department at Humboldt University.
One such project was founded in 1966 by Phyllis Mary Ashraf, an English lecturer and expert on working-class literature in Britain and Ireland. It involved teachers and students of English-American departments at GDR universities, English, American and (West)German scholars interested in the subject, as well as English and Scottish trade union and other political activists. It was tolerated by the GDR higher education authorities but too independent-minded to be popular with them.
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When Mary retired in 1969 I took over the project and helped it to survive diverse bureaucratic and political trials and tribulations.
By 1985 we realized that the emancipatory impetus of classic working-class literature had waned and fiction from the pens of women, particularily of migrant origin and in Third World countries, was taking up the really important emancipatory social, cultural, and political issues of the day. Inspired by feminist contacts in Britain and by feminist texts, we henceforth adopted a feminist theoretical approach integrating it into our Marxist point of view. We also found certain progressive post-structuralist and post-modern ideas very productive. Thus we familiarized ourselves with the interesting theoretical achievements elaborated by the new civil rights and specifically the women’s movement integrating them into our own concepts.


Unification put an end also to our project as part of both academic research and university teaching. Our team therefore turned the project into a new extramural venture called Race-Class-Gender and in 1993 and 1994 produced two publications. One reviewed the work we had done from 1966 to 1990, the other discussed our new feminist theoretical approach.

The difficulties of an extra-mural project at a time when the team members and our authors were being catapulted into a totally different social order and were individually struggling for their economic survival were enormous. In 1994 we therefore decided on a radical reform of the project: Searching fort the lost future.

The team found a suitable publishing house and under its umbrella published forthwith a series of popular treatises on topical social, political, cultural, and literary subjects. These were intended for a clientel composed of politically and culturally interested East but also West Germans.

We constituted ourselves into an editorial board with me as editor-in-chief and worked out publishing programmes, found suitable East and West German authors, edited the manuscripts and battled with the publisher to ensure speedy publication and distribution of the books.

We had been aware for some time before the Wende of the considerable economic and social changes that were globally taking place: Information technology had given rise to high-tech capitalism which, in turn, had brought about a tremendous increase in labour productivity, permanent mass unemployment plus constantly rising precarious living and working conditions for a growing number of people while a minority became ever wealthier.

In Germany, the steamrolling down of “real socialist” economy went hand in glove with radical neoliberal politics replacing the more liberal pre-1990 political conditions. These had corresponded with the fordist economy in need of large numbers of classical industrial workers. Henceforth, industrial labour speedily lost their economic prominence, the trade unions declined and their former political power waned. The socialist and social-democratic parties were long deformed and clearly on the retreat. They were unable even to defend the rights and privileges the workers had achieved in the past century. The final defeat of the classic industrial working-class movements in 1990 left the exploited and discriminated without an organisation or a strategy in Europe as well as overseas.

The feeling of security and confidence in the future which had been a prominent feature of the post-war decades had begun to fade by about 1980, both in East and West Germany. The processes of transition in the post-1990 period shook many people to their very roots, not only in the former GDR. Socialist beliefs and visions were discredited but they left a gap because the deficiencies of the social system which had originally given rise to them prevailed and, in fact, were becoming more and more evident. What had, not very aptly, been called “the velvet revolution” had brought about the end of “real socialism” but it had by no means left the world a more peaceful or just place – quite the contrary: insecurity reigned supreme.

Our books were to give people confidence in the future and spread awareness of the continued existence of ideas and visions of a better world of more equal chances for men and women from all parts of the globe, all social strata and religious denominations. We wanted to reach, above all, that minority of visionaries and utopians still in quest of a better world and motivate them to a critical assessment of the past and to carry on.

The books we published from 1995 to 1997 took up basic aspects of our concept. Volume one, Does emancipation imply mankind’s ability to self-reform? analysed the defeat of “real socialism” and drew certain conclusions therefrom. Anneliese Braun dealt with emancipation under patriarchal and capitalist conditions. Hans Wagner presented his views on the human capacity to reform the process of global transformation. My own contribution dealt with achievements and deficits of Marxist and feminist theories. The volume was first presented in a public library in Berlin on International Women’s Day, 8 March 1995.

Author of the second volume was a sociologist and educationalist from Westfalia, Hartmut Krauss, editor of a left-wing theoretical journal, who wrote Contesting the subject. Dealing with contradictions in ‘modern’ capitalism inspired by the theories of the Soviet cultural historians Vygotsky and Leontjev and the critical psychologists Klaus Holzkamp and Ute Osterkamp.

A totally different but equally topical subject was taken up by another West German author, the sociologist Daniela Weber, a city councillor in Erlangen, in Bavaria, whom we were able to engage for our Volume 3, called Persecution – expulsion – survival. Women in global flight. She surveyed very competently the situation of women fleeing from wars, revolts, massacres, destitution and ethnic purges, dealing particularily with the growing number of African women and children in flight since the 1990ies and the sexual abuse they are exposed to. At one reading from the book, we collected 250.-DM in donations from the public for the benefit of refugee children.

Volume 4 produced in 1997 took up a subject of cultural history. I wrote Looking back to the year 2000. What use utopian visions of society? dealing with three famous utopian works in the light of their topical relevance: Edward Bellamy’s Looking back to the year 2000; William Morris’ News from Nowhere, and Charlotte Perkins Gilman’s Herland.. Isolde Neubert-Köpsel and Stephan Lieske provided excursi.
Isolde Neubert-Köpsel pointed out that the disappearance of utopian visions of society did not mean the end of utopian ideas in general. Post-modern ideas could likewise transport visions of a better world .
Lieske based his contribution of Ernst Bloch’s concept of utopia and underlined that a utopian vision which did not claim an ideal world would not contribute towards social change.
The theoretical standpoints manifest in the excursi in Volume 4 were incompatible, thus revealing our principle of plurality.

The following three volumes presented various facets of alternative lifestyles. Volume 5 was one of our most successful books. East German sociologist and mathematician Ursula Schröter surveyed the situation of women in the GDR; Eva Kaufmann, a retired professor of German literature, analysed texts by well known GDR women writers. Expert on dramatic art Renate Ullrich assessed careers, ambitions, motives of GDR actresses and analysed their attitude towards gender and their insistence on “living complete lives”.

Volume 6 written by politologist Roland W. Schindler dealt with Hannah Arendt’s political theory and its importance for democratic reforms. He underlined Arendt’s emphasis on mature citizenship enhanced by a system of education developing people’s perceptions and judgement.

A different facet of alternative ways of living was feminist sociologist Carola Möller’s object in volume 7. She was co-authored by West and East German scholars and a Czech biographer. The book presented collected data on teams engaged in non-commercial ways of exchanging commodities and services and an analysis of the trends found. The volume was launched in Cologne in September 1997 when the trust fund “Fraueninitiative”, women’s initiative, which sponsored feminist studies in alternative ways of working and living, was also presented to the public.


While the subject of labour and working conditions was never totally absent in any of our publications, the public debates which took place at the end of the 1990s on that subject motivated us to present our views on these changes and our conclusions from them more specifically in volumes 8, 10, and 11.

In Volume 8, Anneliese Braun related labour to emancipation. She discussed gainful employment without emancipation and compared this to a state of emancipation without gainful employment. She reviewed critically the transition which was taking place in employment and surveyed various alternative visions of a future organisation of labour designed to reform working conditions and eliminate mass unemployment. Discussing the alternative models of labour outside gainful employment, such as alternative labour markets, dual and humane economies, ecofeminism, and cooperatives, she underlined that unless new alternative modes of production emerged already under patriarchal and capitalist conditions, no political revolution would have a chance of surviving. It would lack an adequate economic foundation and the economic deficiencies would inevitably undermine the democratic structures.

Volume 10, Gainful employment as a human right in the 21st century. Contributions towards the debate on alternative ideas of labour was a collection of essays on this debate. Gisela Notz, sociologist working for the social-democratic Friedrich Ebert trust fund, since retired, analysed the debate from her feminist standpoint. Carola Möller probed into the term of Eigenarbeit [working for one’s own benefit]. The American philosopher Danga Vileisis presented Marx’ and Engels’ understanding of the term of labour. Anneliese Braun contributed her views on Grundsicherung [basic provisions] pointing out that such provisions would also need to take women’s unpaid labour into account.
A study on the problem of working hours of single parents by sociologist Petra Drauschke, and a further contribution on viewpoints and conflicts of women attending a women’s technology centre in Berlin presented by its chairperson, Michaela Richter, and a documentation of the public debate on the future of labour supplied by Bleibaum and Steitz completed the volume.

Vol. 11, by sociologist Ute Klammer and theologian Sabine Plonz, primarily dealt with women’s struggle for human rights which also touches the subject of labour. The West German sociologist Ina Holthaus provided a feminist review of human rights followed by an essay on Olympe de Gouges. East German philosopher Astrid Franzke analysed Louise Otto-Peters’ treatise on The right of women to gainful employment. A paper on the history of women’s struggle for human rights was provided by Gisela Notz.
Ute Klammer and East German economist Christina Klenner presented the male-oriented discourse on the future of labour represented by Ulrich Beck, Giarini/Liedke, Dettling Bergmann and Rifkin. Educationalist Katrin Andruschow discussed the innovative potentials for a community-oriented sector of economy.
Journalist Gabriela Simon presented the prospects of gainful employment in the field of personal services. Mechthild Hartmann-Schäfers, also an educationalist, gave a critical feminist assessment on voluntary work for the Roman Catholic Church. Sabine Plonz discussed the erosion of working conditions and the future of labour. A final contribution on the prospects of labour against the background of human rights was submitted by myself.

In keeping with the feminist principle that the private is the political, we decided, in the first decade of the new century, to expand our clientel by concentrating on biographies. Thus in 2000 Gisela Gassen submitted her Tomorrow I’am starting on a new lease of life. How I became a member of the women’s movement. Gassen, managing director of Berlin’s women’s council, describes in volume 9, how she, a politically indifferent West German working-class girl, became involved in the women’s movement in the 1970s and ‘80s.

Volume 12, Biographies of the 20th century. Interviews with eleven European women, also published in 2000, revealed the roads to women’s consciousness by women from France, Hungary, Finland, Russia, Great Britain, Croatia, Portugal, Holland, and the two German states, as well as by a migrant woman from Japan living in Germany. The book also mirrors important facets of European history.

Another autobiographical volume was provided by a former elementary school teacher, Elviera Thiedemann, who, in volume 13, reported on her post-unification experiences. She lost her teaching job and found only precarious work after 1992. She describes her various unsuccessful efforts to make use of the new post-unification opportunities and her attempts not to become a failure.

Volume 15, my own and Gisela Notz’s About witches and other eliminable women, published in 2003, comprised two biographical contributions and two historical treatises. My own contribution surveyed women’s persecution from the time of medaeval witch hunting to the period of nazi oppression and finally to the repressive policy against women in the Federal Republic of Germany. Exemplarily, at the trial in Memmingen, a medical practitioner was prosecuted for performing abortions and his patients were likewise exposed to repressive measures. Historian Ingrid Ahrendt-Schulte demonstrated in her paper how in the middle ages women’s medical and agricultural competence was criminalised and prosecuted.
The biographical contributions were Ingrid Stegherr’s report about the life and suicide of her grandmother, a Bavarian antifascist, and Gisela Notz’ biography of a German Jewish resistance worker and Holocaust victim, who returned to Berlin after the Second World War and served in Berlin’s House of Representatives on behalf of the Social Democratic Party for many years.

In 2000 the editorial board decided to discontinue the purely autobiographical themes and return to more general subjects, while attempting a synthesis of the personal and the academic styles of presentation.

Our first attempt was volume 15, my own and politologist Peter Döge’s Sustainability meaning Political Ecology. A controversy on nature, technology, and environmental policy published in 2000. The book presented arguments and counter arguments on ecological subjects and the Green movement by way of a fictitious correspondence between the two authors. Peter Döge showed how the West German environmental movement had eventually snowballed into the Green Party. He dealt with motives and various theoretical concepts elaborated by this civil rights movement. I questioned some of his arguments and offered counter arguments. Despite our basic agreement on the need for fundamental social, political, and ecological reforms of the patriarchal and capitalist social system, we disagreed quite often on various details. The dialogue demonstrated our ways of coping with differences of opinion: Where viewpoints proved incompatible, the two correspondents agreed to differ.

Hannah Lund was the author of All the world gathered on their sophas, volume 16. She presented a survey of those first steps taken by women in France, Britain, and Germany towards emancipation when they left the narrow confinement of their homes by founding salons and inviting people generally of higher ranks than themselves to an intellectual exchange. Lund analysed the importance of these salons for gender equality.

Volume 17 dealt with Cuban women. Madeleine Porr presented Dreams and other realities. Looking at the lives of Cuban women.The author spent six years in Cuba integrated in the life of the ordinary people there which she described without embellishments or condemnation. She interviewed Cuban women from different social strata, adding examples of graphic art produced by Cuban artists.

The last volume (Nr. 18) was produced by a different publishing house. The author was the late Nils Floreck who submitted a collection of interviews with women (e.g. a bishop of the Protestant church, politicians, trade unionists, deputies, managers, a student, etc.) on what feminism had done for them. The volume was called Powerful and brave, beautiful and wise. Talking to women in East and West Germany. The book was launched on 21 November 2005.

By that time, almost twenty years after German unification, the publishing venture came to an end. The bulk of its clientel among the displaced East German elite and sympathizing progressive West German academics whose ranks provided both our authors and the members of the editorial board, had meanwhile reached retirement age or died; a few of the younger ones had been integrated into mainstream academia or were engaged in other fields and thus no longer able to spare time for commitments outside their gainful employment.
Although lack of funds and support had prevented the books from being best sellers, the volumes which found their way to readers always helped them to understand the increasingly complex world which they were confronted with, a little better and strengthen their confidence in the chances of bringing about a more just and peaceful state of affairs. While we did not find the path leading to “the lost future”, we did, by means of our books, give readers confidence that continuing the search for it was both possible and worth the effort.

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Samstag, 23. Oktober 2010

Meine Befreiungsgeschichte

Von der Nazi-Diktatur hat sich das deutsche Volk bekanntlich nicht selbst befreit. Dazu war die gewaltige Militärmacht eines zwar heterogenen, aber große Teile der Welt umfassenden Bündnisses erforderlich. Die Befreiung von diesem menschenfeindlichen System kostete einen hohen Blutzoll und hinterließ weite Teile Europas in Trümmern. Das NS-Regime war weder von oben reformwillig, noch ließ der Staatsterror Reformen von unten zu.

Anders verhält es sich mit den selbstzerstörerischen, hierarchischen, patriarchalen und bürokratischen Strukturen des „Realsozialismus“, der von unseren Mainstream-Medien als „zweite Diktatur“ der braunen Diktatur gleichbewertet wird.
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In allen Ostblockstaaten gab es immer wieder Reformversuche und Widerstandsaktionen von unten, die im Herbst 1989 sogar wenige Monate lang erfolgreich waren, schlussendlich jedoch zur Niederlage des Versuchs führten, eine alternative, wirklich menschenfreundliche Gesellschaft zu errichten.

Gegen die „Machtübernahme“ der Nazis 1933 fanden weder ein Aufstand im Lande, noch Aktionen des Völkerbunds statt. Den Westmächten war das neue „Bollwerk gegen den Bolschewismus“ in der Mitte Europas nicht unrecht. Unter diesem Gesichtspunkt durfte sowohl Mussolini als auch Hitler aufrüsten und ihre Eroberungspolitik erfolgreich in Gang setzen.

Als Zeitzeugin des Anschlusses meiner Heimat Österreichs an das Nazireich, möchte ich exemplarisch an die Ereignisse von 1938 erinnern:

Der Weg ins Verderben war lange vor 1938 bereits unumkehrbar geworden. Die Weichen dafür waren be¬reits gestellt, als die österreichischen Arbeiter im Juli 1927 in ihrem Kampf gegen die rechten Kräfte unterlagen. Bereits die Dollfuß-Regierung errichtete 1933 einen „autoritären Ständestaat“; in einem von der SPÖ halbherzig geführten Bürgerkrieg zwischen den christlich-sozialen Heimwehren und dem Republikanischen Schutzbund wurde letztgenannter geschlagen, die Gewerkschaften und die SPÖ verboten. Diese Politik erwies sich als selbstzerstörerisch. Am 20. Juli 1934 fand ein Nazi-Putsch statt, der Bundeskanzler Dollfuß das Leben kostete. Das Zusammentreffen seines Nachfolgers Schuschnigg mit Hitler auf dem Ober¬salzberg führte zu einem Ultimatum, das das Verbot der österreichischen NSDAP aufhob, alle in Haft befindlichen Nazis, einschließlich der Dollfuß-Mörder freiließ und de facto Österreichs Todesurteil war. Schuschnigg sagte die zum 9. März 1938 vorgesehene Volksabstimmung ab, verhinderte damit die letzte Möglichkeit zu einem antifaschistischen Volkswiderstand und trat zurück. Nachdem auf diese Weise über die Jahre alle Hitlergegner einzeln ausgeschaltet worden waren, gab es keine Gegenwehr von unten, noch Proteste von außen, als deutsche Truppen am 13. März 1938 Österreich besetzten und es zum Bestandteil des Deutschen Reichs machten. Die Chance, die braune Pest ohne Krieg zu beseitigen, war verspielt worden.
Hitlers Einmarsch in Österreich gestaltete sich zu einem Triumph. Das durch lange Jahre wirtschaftlichen Niedergangs, Arbeitslosigkeit und Armut geplagte und nach vielen Enttäuschungen politisch durch die Nazis verführte Volk erhoffte sich mehrheitlich bessere Zeiten durch die „Heimkehr ins Reich“. Dort war es seit 1933 aufwärtsgegangen. Tatsächlich schuf die deutsche Aufrüstung Arbeitsplätze, Geld kam in die Staatskassen, das stark zerlöcherte soziale Netz der Weimarer Republik konnte geflickt und verschönert werden. Arbeitsdienst wurde schmackhaft gemacht durch die Idee der klassenübergreifenden Volksgemeinschaft, in der jeder Anspruch auf Arbeit und Brot und auf Kraft durch Freude-Urlaube hatte. Warum sollten sich die einfachen Leute um die Minderheit der von diesen Segnungen Ausgegrenzten scheren? So stimmten nur die Juden und die inzwischen dezimierten Sozialisten, sowie Anti¬faschisten verschiedener politischer Couleurs nicht in den Jubel ein.

An jenem schicksalsschweren Freitag, dem 11. März 1938 waren ungewöhnlich viele Menschen auf der Kärtnerstraße, darunter besonders viel Polizei.
Es muss um 19.30 Uhr gewesen sein, als alle Polizisten wie auf ein unhörbares Kommando aus ihren Uniformen Hakenkreuz-Arm¬binden hervorzogen und am Ärmel befestigten. Jubel brauste auf. Menschen umarmten sich oder rissen den rechten Arm hoch und schrien: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“.

Zur Minderheit, die in diesen Jubel nicht einstimmte, gehörte auch ein Teil der humanistisch oder christlich gesinnten Bevölkerung. Manche von ihnen begriffen, dass das Ende der ersten österreichischen Republik auch für sie Krieg und Verderben nach sich ziehen würde. Auch wurden nicht alle politisch indifferenten Menschen plötzlich zu fanatischen Nazis oder Antisemiten. Es gab auch weiterhin Menschen wie meine Grundschullehrerin Marie Fitzga, die während der gesamten Nazi- und Kriegszeit ihre humanistischen Ansichten niemals aufgab.
Für mich und meine Familie hieß es allerdings, sich intensiv auf die Emigration vorzubereiten.
Alle Unternehmungen und Vorbereitungen auf die Auswanderung fanden in einer Atmosphäre der Willkür und Gewalttätig¬keit, der Verängstigung und Beunruhigung statt. Ständig gab es neue Anordnungen, die zu berücksichtigen waren. Immer wieder ver¬schwanden Bekannte und Freunde in Gefängnissen und Lagern oder nahmen sich das Leben; manchen misslang es, wie meinem Onkel Bruno, der sich erschießen wollte und dabei sein Augenlicht verlor, als Behinderter deportiert und in Auschwitz vergast wurde.
SA-Leute zwangen alte Juden, öffentliche Plätze unter dem johlenden Beifall des Pöbels mit Zahnbürsten zu reinigen. Diese barbarische Praxis hat der Bildhauer Alfred Hrdlitsch¬ka+ in seinem eindrucksvollen Mahnmahl verewigt.
An den Konsulaten der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der lateinamerikanischen Staaten bildeten sich Tag für Tag Schlangen Aus¬reisewilliger, die oft von der Polizei drangsaliert oder von Nazi-Passanten angepöbelt wurden. Keines dieser Konsulate hätte mir ein reguläres Visum ausgestellt. Kindertransporte gab es damals noch nicht, für ein Dienstmädchenpermit war ich zu jung, in die USA kam ich nicht, weil die jährliche Einwandererquote aus Österreich längst überschritten war. Mit Hilfe von Schleusern schaffte ich es nach Frankreich. Von dort gelangte ich im Februar 1939 nach England, weil mir ein unbürokratischer Konsularbeamter in Paris gesetzwidrig ein Dienstmädchenpermit erteilte. Dort gelang es mir, meiner Schwester einen Platz in einem Kindertransport zu beschaffen. Auf diese Weise überlebten wir das NS-Regime und auch den Krieg. Dieser brach bekanntlich am 1. September 1939 aus und spätestens nach der Schlacht von Stalingrad 1942 erwies sich, dass Hitler den Krieg nicht gewinnen würde. Zu keiner Zeit gelang es, den antinazistischen Widerstand in Deutschland, Österreich oder in den besetzten Gebieten zu bündeln und niemals kam es zu einer erfolgreichen Selbstbefreiung. Widerstandsaktionen, darunter der erfolglose Putschversuch einiger Wehrmachtsoffiziere von 1944, nationale Befreiungsaktionen in einigen besetzten Ländern, sowie der Aufstand im Warschauer Ghetto waren heldenhafte, aber erfolglose Versuche, das Regime zu stürzen. So näherte sich der von Nazideutschland angezettelte Krieg erst seinem Ende, als sowjetische Truppen diesen unaufhaltsam zu seinem Ursprung zurückdrängten. Ungeachtet der Deformationen des stalinistischen Systems gelang es den Völkern der UdSSR, das Nazireich militärisch zu schlagen. Ihr unaufhaltsames Vordringen nach Westen zwang die Westmächte im April 1944 endlich zur Eröffnung der Zweiten Front in Europa und ermöglichte damit den gemeinsamen Sieg der Alliierten über Hitlerdeutschland. Schließlich wollten die Westmächte ihre russischen Verbündeten nicht erst am Ärmelkanal in die Arme schließen. Es dauerte dann noch ein ganzes Jahr, ehe Nazi-Deutschland kapitulierte.
Was nach Kriegsende über die deutschen Zustände, ganz besonders in der sowjetischen Besatzungszone in England gedruckt wurde, war so widersprüchlich, dass wir, mein Mann und ich, uns in der englischen Emigration kein klares Bild der Verhältnisse machen konnten. Es erfüllte uns aber mit Zuversicht, dass sich in der sowjetischen Zone SPD und KPD zusammengetan hatten, dass es eine Landreform gegeben hatte, dass alle alten Nazis in den Schulen durch Neulehrer ersetzt worden waren, dass es neue Richter und Staatsanwälte gab und alle Nazigesetze unwirksam geworden waren. Meine Gefühle waren ohnehin zwiespältig. Einerseits empfand ich mein Weggehen aus England als Verlust. Aber weit stärker als dieses Gefühl war der Wunsch, dabei zu sein, mitzumachen, dort zu leben, wo etwas Neues, für mich sehr Wichtiges entstehen sollte. Ich war voller Entschlossenheit und innerer Genugtuung darüber, dass ich das Glück haben würde, mein Leben einer wirklich wichtigen und wertvollen Sache, dem Aufbau einer menschlichen und friedlichen Gesellschaft, zu widmen. Auch mein Mann war überzeugt, dass er sich in seiner Heimat wieder politisch und beruflich einbringen können würde. Das erwies sich allerdings als eine Illusion, da er wegen seiner kritischen Haltung Berufsverbot erhielt und fortan seinen (durchaus ausreichenden) Unterhalt durch private Übersetzungsarbeiten bestreiten musste. Auch mein Leben in diesem Atlantis begann mit einer Zeit leidvoller
Konfrontation mit Realitäten, die ich nicht erwartet hatte und auf die
ich nicht vorbereitet war. Nirgends kam die bornierte „realsozialistische“ Praxis ihren utopischen Potenzen so nah wie in der DDR und verfehlte sie doch mit so weitreichenden Folgen.
Das Alltagsleben in der unmittelbaren Nachkriegszeit war weniger als heute von Gewalt gegen Schwächere und Hilflose geprägt. Vielmehr herrschte trotz allem ein unverwüstlicher Optimismus. Das hing damit zusammen, dass es anders als heute eine insgesamt positive Erwartungshaltung gab. Der Krieg war zu Ende, und die meisten Menschen waren überzeugt, dass es, ganz gleich, wie schrecklich die Gegenwart war, nur besser werden könne. Und viele waren entschlossen, sich daran tatkräftig zu beteiligen.
In vielem entsprach jedoch die Wirklichkeit keineswegs einer Gesellschaft von Gleichen oder Gerechten. Die in diesen ersten Jahren gemachten
Erfahrungen zwangen mich schließlich, mich mit den Tatsachen zu
arrangieren. Erneute Emigration zurück in die, wie ich damals meinte,
endgültig zurückgelassene Welt des Kapitalismus erschien mir unerträglich.
Mir wurde die Möglichkeit geboten, an der Vorstudienanstalt (später ABF) mein Abitur zu machen, ich konnte studieren, promovieren und mich habilitieren. Ich durfte alle möglichen gehobenen Tätigkeiten ausüben, allerdings immer als Stellvertreterin. Ordentliche Professorin wurde ich nie, das ließ meine Kaderakte und das obrigkeitliche Misstrauen auch gegenüber einer unbequemen Ex-Ehefrau eines Abweichlers nicht zu.
Dennoch bin ich auch heute noch der Meinung: „Die Gründung der DDR war ein Schritt von großer historischer Tragweite. Auf deutschem Boden, auf den von
den Nazis hinterlassenen Trümmern und ohne finanzkräftige Geldgeber,
die einen schnellen Aufbau auch der Konsumgüterindustrie
ermöglicht hätten, entstand ein Staat des Friedens und des Fortschritts“.
Zur Zeit der Wende 1989 glaubte ich, die Utopie, der ich mich verschrieben
hatte, könnte sich nun, von ihren bürokratischen, hierarchischen
und patriarchalen Schlacken befreit, wie Phönix aus der Asche erheben. In der Tat hatten sich in den Jahren der DDR die Bürger und Bürgerinnen trotz dieser Strukturen so weit emanzipiert, dass sie aus eigener Kraft das System reformierten. Sie waren jedoch zu uneinig, zu schwach und zu unreif und auch das außenpolitische Bedingungsgefüge ermöglichte es nicht, die von einer beachtlichen Minderheit ersehnte Vision einer alternativen Gesellschaft durchzusetzen. Dennoch stellen die wenigen Monate, in denen ich beobachten konnte, wie sich zuvor indifferente Menschen politisierten und für einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz engagierten, die befreiendsten Erlebnisse meines Lebens dar.
Dieser Text war ein Beitrag zu einem Symposium, der nicht in die nachfolgende Publikation aufgenommen wurde.

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Sonntag, 3. Oktober 2010

Nur eine Deutungshoheit für DDR-Geschichte?

Im Magazinteil einer im Osten viel gelesenen Tageszeitung werden am 2./3.Oktober 2010 Wendegeschichten über 20 scheinbar wahllos ausgewählte Personen aus Ost und West erzählt, die deutlich machen, dass all diese Menschen durch die Wende und die deutsche Einheit endlich die Freiheit hatten, „in einer alten Heimat oder in einer neuen, vor allem aber bei sich selbst anzukommen“. Die Autorin erklärt in ihrem Vorspann, dass ...

es trotz aller Unterschiedlichkeiten (nicht alles seien Erfolgsgeschichten) vor allem Geschichten von Menschen sind, die nicht resignieren, die Neues versuchen, die sich auf Abenteuer einlassen, die sich engagieren und aus den Brüchen in ihrer Biografie Kraft und Selbstbewusstsein schöpfen. Natürlich wurde vor allem das Leben im Osten durchgeschüttelt, aber auch viele aus den alten Bundesländern haben sich auf eine neue Stadt, einen neuen Job und eine völlig neue Existenz eingelassen.

Die Ostdeutschen und speziell die jüngeren ostdeutschen Frauen sind nicht nur „durchgeschüttelt“ worden, sondern haben zehntausendfach ihre Existenzgrundlage, oft auch ihre Wohnungen („Rückgabe vor Entschädigung“) verloren und nur etwa ein Drittel fand gleichwertige Lebensgrundlagen bzw. verbesserte sich sogar. Wie kam es, dass diese Menschen sich so gut und schnell anpassten, eine solche Integrationsleistung erbrachten, so schnell, so viel Neues zu lernen bereit und fähig waren? Dass nur eine Minderheit sozial und politisch verkam, meist aus den Kreisen, die zu integrieren auch die „Erziehungsdiktatur DDR“ nicht geschafft hatte. Kann diese Leistung wirklich ohne die Vorleistung der DDR- Sozialisierung erbracht worden sein?

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Donnerstag, 5. August 2010

Generationsprobleme

Schon immer, wenn sich die Schere zwischen den Reichen und den Armen weiter öffnete, konnten wir zwei Phänomene beobachten: Anstelle der seinerzeit von den Römern circenses genannten grausamen Belustigungen, die das Volk ablenken sollten, wenn das Brot nicht reichte, gibt es heute mit großem Medienhype hochgepuschte Fußballweltmeisterschaften, einen Papstbesuch oder ein anderes Massenevent.

Anders als im Alten Rom wärmen Historiker, Soziologen oder Politiker heutzutage mit schöner Regelmäßigkeit das Generationsproblem auf. Sie spielen die „viel zu wohlhabenden“ Alten gegen die arme junge Generation aus.

Die aktuelle Rentnergeneration ...

steht tatsächlich relativ gut da (zumindest die männliche Hälfte), weil es sich um ehemals ca. 40 bis 50 Jahre Vollbeschäftigte handelt. Dazu kommt, dass die im Westen lebenden in den 60er bis 80er Jahren Löhne und Gehälter erhielten, von denen sie nicht nur ihre Existenz sichern, sondern auch etwas zurücklegen und anlegen konnten. So durften auch sie an der Ausbeutung der Dritten Welt ein wenig teilhaben. Die heute Jungen gehören dagegen massenhaft und zunehmend zu einer Generation prekär Beschäftigter, zu Leiharbeitern, befristet Tätigen, 1 €-Jobbern, 0-€ PraktikantInnen und für 400,00€/Monat Beschäftigten. Dafür können aber nicht ihre Eltern und Großeltern, sondern das ist, „der Wirtschaft“ und „der Politik“ geschuldet. Auch die Gewerkschaften, die Errungenschaften, die die Arbeiterbewegung in 150 Jahren Kampf durchsetzte, Stück für Stück preisgaben, haben daran eine Aktie.

Diese Tatbestände wurden bereits vor einigen Jahren von Herrn Maßfelder auf den Kopf gestellt, dessen Vorschlag, den Alten keine orthopädische Prothesen mehr zu finanzieren, damals noch breit gefächerte Empörung auslöste.

Heute erfahren wir sogar aus der sonst nicht rechtskonservativen „Berliner Zeitung“ aus der Feder von Herrn Götz Aly am 03. August 2010, dass die „ausgefallenen Rentenkürzungen 47 Mrd. Euro ausmachen“ (peanuts im Vergleich mit dem, was zur Rettung der Banken zur Verfügung gestellt wurde) und dass dies „die kalte Enteignung der nachwachsenden Generation“ bedeute. Und er warnt uns, dass „die mit mathematischer Notwendigkeit fortschreitende Kinderlosigkeit und Überalterung unserer Gesellschaft … bald auf die selbstsüchtigen Alten zurückfallen“ werde. Dann, o Graus, „wird auf Partys nicht mehr über Kinder und Enkel gesprochen, sondern über Kreuzschifffahrten, Hörapparate und die besten Beerdigungen im vergangenen Monat“.

So einfach kann man das Leben erklären! Die Armen sind alle jung (zu welcher Generation gehören eigentlich die minus 60-jährigen Bank-Manager, Spitzenpolitiker und Sportler, Spekulanten und Chefs transnationaler Konzerne?), die Jungen alle arm und werden von den Alten ausgebeutet, die alle reich sind, auch geschiedene und keine eigene Rente besitzende Westfrauen. Also müssen wir nur ganz schnell alle Alten enteignen und schon ist das Problem der präkären Arbeitsverhältnisse, von denen keine/r leben kann, ohne dass ihm/sie der Steuerzahler vom Hungertod bewahrt, der enormen Staatschulden, der Umweltzerstörung und der noch längst nicht überwundenen Krise gelöst.

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Dienstag, 8. Juni 2010

Wer hätte das vor 20 Jahren für möglich gehalten?

Wer hätte gedacht, dass die Partei, die einst Heinemann und Rau zu Bundespräsidenten kürte, und die gar nicht auf die Idee kam, sich seinerzeit für den für alle BürgerInnen wählbaren christlich-sozialen Richard Weizsäcker zu engagieren, einmal einen Mann nominieren würde, der sogar den von der Gegenseite vorgeschlagenen Konservativen um Längen rechts überholt? Wie kommt es, dass es dieser Partei völlig ausreicht, dass der Bewerber ein ausgewiesener Antikommunist ist. Es interessierte offenbar weder die SPD noch die Grünen, ...

wie er zu den aktuellen Kontroversen steht, denn darüber gibt es keinerlei Aussagen. Was er von der Politik seiner Nominierer hält, die sich immerhin kritisch zu dem Sparpaket der Bundeskanzlerin und seinem schweren Übergewicht zu Ungunsten der bereits Verarmten und Ausgegrenzten geäußert haben und von einer effizienten Regulierung der Finanzmärkte reden, ist auch nicht mitgeteilt worden. Nicht nur den Sozialdemokraten, auch der Partei, der einst Petra Kelly angehörte, ist es offenbar total egal, was der von ihnen vorgeschlagene Bundespräsident für politische Vorstellungen darüber hat, wie Deutschland nicht nur aus der derzeitigen, von der Politik mitverschuldeten Krise herauskommen könnte, sondern auch wie sich ein nachhaltig soziales und umweltfreundliches Deutschland, das eine menschenfreundliche und nicht finanzkapitalhörige Globalität befördert, entwickeln könnte. Wir erfahren nur, dass er die Distanz zwischen BürgerInnen und Politik, die allgemeine Politikverdrossenheit, die sich in Wahlabstinenz manifestiert, überwinden will. Deren soziopolitische Ursachen haben ihn offenbar niemals interessiert.
Noch beklagenswerter für den politischen Zustand unserer so genannten Opposition ist die Bereitschaft einiger wichtiger Männer der ehemals als „Schmuddelkinder der Politik“ ausgegrenzten Partei, die auch Bereitschaft bekundet haben, den rot-grünen Präsidentschaftskandidaten zu wählen, weil sie glauben, damit den Sturz der Regierung zu befördern. Man wähle also einen ultrarechten Präsidenten, mit dem diese Regierung bestimmt keinen Streit haben wird, wenn er denn gewählt würde mit der Begründung, damit würde die Regierung stürzen, deren Schicksal gewiss nicht davon abhängt, wer der nächste mehr oder weniger erzkonservative Bundespräsident wird. Wem wird nicht übel bei dem unanständigen Vorschlag, einen ausgewiesenen Gegner des Sozialismus aus nicht einmal zutreffenden taktischen Gründen zu wählen!
Gewiss ist der SPD-Grünen-Kandidat ein konsequenter Mann, denn er hat sein ganzes politisches Leben lang seine Grundauffassung nie geändert. Wie er damit die SozialistInnen oder auch nur die sozial denkenden FortschrittsfreundInnen in der SPD und in der Linken repräsentieren soll, bleibt das Geheimnis seiner Nominierer.
Gibt es im Bundesparlament wirklich keine Einsicht, dass heute Persönlichkeiten an der Spitze des Staates benötigt werden, die nach vorn blicken und sich den aktuellen Problemen vorurteilslos und innovativ stellen?

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Donnerstag, 29. April 2010

Wie löst man die Finanzprobleme unserer Zeit?

Die Haute Voleé unserer Tage nennt man Global Players. Sie sind keineswegs alle gleichermaßen mächtig. Im Bedarfsfall fressen die größeren die kleineren. Wenn sie, wie in jüngster Zeit, die Finanz- und Warenwelt gemeinsam ins Chaos gestürzt haben, so schadet das den mächtigsten unter ihnen gar nicht; im Gegenteil, sie profitieren auch und gerade vom Chaos. Die vom Steuerzahler hoch subventionierten Geldinstitute, aber auch die großen Pharma- und anderen Konzerne haben in den Jahren 2009/10 trotz Krise Milliarden Profite gemacht. Wenn tatsächlich einmal Verluste gemacht werden, ...

z. B. auf Grund höherer Gewalt wie eines Vulkanausbruchs – was immer auch mit Inkompetenz der Betroffenen einhergeht –, kann man ja die Hand aufhalten und sich von stets verständnisvollen PolitikerInnen Steuergeld überweisen lassen. Und wenn einigen der Pokerspieler im Global Village beim Abzocken einmal die Luft ausgeht, dann gibt es immer noch die Möglichkeit, sich durch „eiserne Sparmaßnahmen“ die Mittel zum Weiterzocken zu beschaffen. Nun ratet einmal, wie das geht: Dadurch dass denen, die die Pleite nicht verursacht haben, Renten-, Lohn- und Gehalteinsparungen, Abbau im öffentlichen Dienst, Kürzungen im Gesundheitswesen und in der Arbeitlosen- und Sozialhilfe übergeholfen werden. Das Verursacherprinzip? Das gilt doch nur, wenn die Putzfrau eine Vase herunterfallen lässt.

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Mittwoch, 24. März 2010

"Donnerndes Schweigen"

"Donnerndes Schweigen" soll die Atmosphäre zwischen US Präsident Obama und seinem israelischen Gast Netanjahu charakterisiert haben. Wie schade, dass es keine klaren Worte waren, ...

denn nach bisherigen Erfahrungen versteht der israelische Regierungschef Schweigen nicht, weil auch er ein Freund klarer Worte ist. Er erklärte unmissverständlich, er würde seine völkerrechtswidrige Siedlungspolitik fortsetzen und basta. Da wäre doch zu wünschen, die US erklärte ebenso unmissverständlich, dass sie unter diesen Umständen alle Kredite und Waffenlieferungen nach Israel unter ein Moratorium stellen werden, bis dem internationalen Abkommen die Siedlungspolitik betreffend nachgekommen worden ist.

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Donnerstag, 28. Januar 2010

Reicht Zivilcourage?

Am 27.01.10 konnte man bei ARD um 20.15 Uhr einen bemerkenswerten Film sehen. Er behandelte auf neuartige Weise die Frage, woran es liege, dass das Vertrauen der Bürger in Recht und Gesetz dahinschwindet. Auf den ersten Blick schien es, als sollten hier wieder einmal ausländische jugendliche und weniger jugendliche Gewalttäter als Schuldige präsentiert werden. Aber mitnichten! ...

Nicht nur führt Götz George den eigenbrötlerischen, in die Haussmannstraße in Berlin-Kreuzberg nicht recht passenden Antiquar Peter Jordan als einen höchst widersprüchlichen, in kein Schema passenden, konservativen, aber dennoch lern- und liebesfähigen älteren Herrn vor. Auch die Jugendlichen, vor allem das kroatische-kossowarische Brüderpaar Afrim und sein älterer, vom Jugoslawienkrieg noch härter gezeichneter Bruder sind keineswegs einschichtige Sadisten. Seit der Ermordung ihrer Eltern kümmert sich der ältere Bruder fürsorglich um den jüngeren. Marko Mandic gestaltet den älteren Bruder als einen jungen Mann, der ein tadelloses, gebildetes Deutsch spricht, in seiner wenig heimatlichen Wahlheimat jedoch nur als Lagerhilfsarbeiter in einem Supermarkt schlecht bezahlte Arbeit findet und für seinen Bruder jederzeit bereit ist, mitleidlos über Leichen zu gehen. Auch Afrim (Arnel Taci) hat weder im Krieg in seiner Heimat noch im Haussmannstraßenkiez je gelernt, Konflikte gewaltfrei auszutragen. So ist seine Polizeiakte bereits umfangreich.
Ein betrunkener Obdachloser, der seinen Hund auf dem Kinderspielplatz koten lässt, fordert damit Afrims Zorn heraus. Als er diesen ankeift, der Hund habe mehr Recht hier zu sein als er und auch noch Afrims Freundin Jessica eine Nutte nennt, verliert der junge Mann seine Fassung und schlägt den Obdachlosen krankenhausreif. Jordan ist Zeuge dieser Gewalttat, er kümmert sich um den schwer Verletzten und versucht - vergeblich -, die Polizei zum Handeln zu bewegen. Keine Zeit, keine Leute, macht ohnehin keinen Sinn. Afrims Bruder macht Jordan klar, dass eine Anzeige für die Brüder existenziell bedrohliche Folgen haben würde, die er nicht zulassen werde. Als dies auf Jordan zunächst keinen Eindruck macht, schlägt ihn erst Afrims Gang zusammen, der Bruder lässt seinen Schlägergtrupp das Antiquariat verwüsten, bricht ihm einen Finger, verletzt auch Jordans 68’er-Freunde und erpresst den Antiquar schließlich erfolgreich mit der Drohung, er werde sich an dessen kleine Enkeltochter heranmachen.
Nachdem solcherart die Staatsmacht ihr Gewaltmonopol zum Schutze der Schwachen kampflos aufgegeben hat und klar ist, dass es in den Haussmannstraßenquartieren der deutschen Großstädte angezeigt ist, sich der Gewalt der Stärkeren unter den aus der Gesellschaft Ausrangierten und nicht mehr Benötigten zu beugen und zu kuschen, wenn man nicht genügend harte Ellenbogen hat, kommt es zu einer unerwarteten Lösung des Konflikts.
Wie der Münchner Dominik Brunner im Herbst vorigen Jahres so scheitert auch Peter Jordan im Film mit seinem Vertrauen in Ordnung und Gesetz, Staatsanwaltschaft und Polizei; die Polizei kommt den in dem realen Fall wie im Film Zivilcourage zeigenden beiden Männern nicht zur Hilfe, obwohl sie gerufen wurde. Afrims Freundin, die ebenfalls aus einer gescheiterten, aber deutschstämmigen Familie stammende Halbanalphabetin Jessica, demonstriert, wie man unsere Staatsmacht doch zum Eingreifen veranlasst: Sie hat sich das Video unrechtmäßig angeeignet, auf dem alle Gewalttaten ihres Freundes, seines Bruders und beider Gangs aufgezeichnet sind. Jetzt stellt sie dieses Beweismittel ins Netz.
Peter Jordan hat sie mit Hilfe eines gänzlich unkonventionellen, aber jugendgemäßen Zugangs zu Shakespeares Romeo und Julia auf den Geschmack nach Kultur gebracht: Sie will aus dem Leben, wie es in der Haussmannstraße abläuft, aussteigen. Sie will nicht das Leben ihrer Mutter führen, die als Alleinerziehende mit drei Kindern in Apathie und Depression fiel, unfähig, auch nur dafür zu sorgen, dass ihre jüngeren Töchter zur Schule gehen. Man bekommt eine Ahnung davon, dass auch diese Frau nicht immer gleichgültig und lethargisch war, wenn sie die älteste Tochter Jessica verschiedentlich nötigt, ihr Praktikum bei Jordan „durchzuziehen“ und den Schulabschluss zu schaffen – im Übrigen obwohl Jessica kaum lesen kann.
Sie ist die eigentlich Mutige, Engagierte, wenn alle anderen, die 68er, Jordan, seine Tochter, bereits den Kampf aufgegeben haben. Sie verlässt ihren Partner, den sie ehrlich geliebt hat und alle ihre Freunde und Bekannte. Afrims Liebe neben dem Respekt, den er seinem Bruder entgegenbringt, beweisen, dass auch dieser Gewalttäter unter anderen Umständen ein liebesfähiger fröhlicher junger Mann hätte werden können.
Jetzt bewegt sich sogar die Polizei und holt Afrim ab. Hier endet der Film. Aber wir ahnen: Afrim wird aus dem Gefängnis nicht resozialisiert herauskommen, so wenig wie sein Bruder durch eine seinen Fähigkeiten entsprechende berufliche Perspektive sein Leben und Denken reformieren wird. Ob es Jessica mit Hilfe von Peter Jordan gelingt, bei ihrem katastrophalen Wissensrückstand einen Schulabschluss zu machen und einen Beruf zu erlernen, ist fraglich.
Es gibt kein happy end in der Haussmannstraße. Das so krass und ungeschminkt gezeigt zu haben, ist das Verdienst des in Israel geborenen Regisseurs Dror Zahevi, Ex-Student an der Filmhochschule Potsdam.

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Montag, 25. Januar 2010

Wie ich es sehe

Ich gehöre zu jenen, für die die DDR der Versuch war, eine Gesellschaft zu errichten, in der Menschen- und Bürgerrechte geachtet würden, in der es solidarisch, kooperativ und barmherzig zugehen würde und ich betrachtete dies als meine ureigene Sache, als mein persönliches Anliegen. 1946, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, gab ich eine gute Stellung in London auf, um in die damalige sowjetische Besatzungszone zu ziehen und zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft beizutragen.
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Die offensichtlichen Defizite der Ostzone und späteren DDR schmerzten mich, wie mir die Untaten eines missratenen Kindes wehgetan hätten. Stets fühlte ich mich für das, was in diesem Land an Positivem ebenso wie an Negativem vor sich ging, mitverantwortlich, obwohl ich keine nennenswerten politischen Funktionen ausübte und als ziemlich unangepasste Westremigrantin und Ehefrau bzw. Ex-Ehefrau eines aus der Partei Ausgeschlossenen auch niemals zu denen gehörte, die für höhere Weihen in Frage kamen. Dennoch war das Regime für mich immer „wir“ und nie „sie“.

Das hatte mit der Tatsache zu tun, dass die Ostzone bzw. nach 1949 die DDR für mich ungeachtet aller ihrer unübersehbaren Schwären und Pickel nicht wie die Bundesrepublik restaurative Züge trug; dass dort keine Gestapobeamten ihre alten Posten wiedererlangten bzw. pensionsberechtigt waren, dass dort nicht starr an überholten wirtschaftlichen und politischen Strukturen festgehalten wurde, wodurch das Potsdamer Abkommen zur Farce geriet und dass bei uns anders als dort Frauen nicht massenhaft an den Herd zurückgeholt wurden, sondern ihr eigenes Geld verdienen konnten und damit ein Stück Unabhängigkeit erlangten.

Während es in der Bundesrepublik 1968 einen einzigen Versuch gab, sich vom Muff des antikommunistischen und dem Kalten Krieg verschriebenen Regime zu befreien, rissen die Versuche, aus der DDR einen demokratisch-sozialistischen Staat mit menschlichem Antlitz zu machen, nie ab. 1953 waren es die ArbeiterInnen, 1956 die StudentInnen, 1968 die neue junge Generation, und immer wieder die Künstler und Intellektuellen. Die Wende von 1989 war der letzte, alle Schichten des Volkes erfassende Aufstand gegen den verderbten „Realsozialismus“, in dem die emanzipatorische Zielstellung des Sozialismus deformiert war, und der letzte Versuch, diesen gewaltfrei zu reformieren.

Dieser Versuch erfüllte mich mit Euphorie. Als er teils aus strategischer Unreife und Interessenvielfalt der ReformerInnen, teils wegen der massiven Einflussnahme der herrschenden Kreise der Bundesrepublik, sowie der Bereitschaft der Gorbatschow-Regierung, die DDR ohne wirtschaftliche und soziale Sicherheiten für deren Bevölkerung preiszugeben, scheiterte, wollte ich es lange Zeit nicht glauben und setzte ich mich noch Monate lang im Rahmen der unabhängigen Frauenbewegung vergeblich dafür ein, Reste der sozialen Errungenschaften der DDR zu erhalten. Für deren notwendige Reform, nicht aber deren Abschaffung waren wir unmittelbar nach der Wende angetreten. Indes verschwand in Windeseile der größte Teil des „sozialen Klimbims“ (bezahlbare Kindereinrichtungen, Haushaltstag, Babyjahr, bezahlte Freistellung bei Krankheit der Kinder, billige Kinderkleidung und –schuhe, Freistellung für kostenlose Qualifizierung, usw.), ohne dass es gelang, irgendetwas zu erhalten.

Die deutsche Einheit samt Währungsreform wurde im Galopp vollzogen und die DDR-BürgerInnen mit Hilfe der Treuhandanstalt von ihrem Volkseigentum, sowie die Hälfte von ihnen, mehrheitlich Frauen, auch von ihren Arbeitsplätzen befreit. Es waren keineswegs lauter marode Betriebe; immerhin hatte der später ermordete Treuhandpräsident Detlev Rohwedder das Volksvermögen auf über 600 Mrd. DM geschätzt, das Frau Breuel in kurzer Zeit auf ein Minus von 300 Mrd. DM herunterwirtschaftete.

Eine Minderheit verbesserte sich, was ihre wirtschaftliche Lange anlangte, und alle kamen in den Genuss überbordender Waren- und Dienstleistungsangebote; sie durften endlich reisen, wohin sie es sich leisten konnten – ohne Zweifel ein Gewinn. Ein Austausch von Freiheiten fand statt. Die alten Freiheiten, die es im DDR-Erwerbsleben gab, verschwanden; nun durfte man nicht einmal mehr laut sagen, wie hoch das eigene Gehalt war. Dafür konnte man ungestraft auf die Regierung schimpfen und seine abweichende Meinung in Leserbriefen veröffentlichen, angemeldete Demonstrationen durchführen u. Ä. m. Lange vernachlässigte Stadtkerne wurden saniert, die Schönheit der in der DDR-Zeit vernachlässigten Gründerzeitbauten erstrahlte in neuem Glanz, während die Mieten um das Zehnfache stiegen und so manche/r Mieter/in in ein billiges Quartier umziehen musste. Viele verloren ihr Häuschen, das sie entschädigungslos an den einst geflohenen „Alteigentümer“ zurückgeben mussten.

Mit der deutschen Einheit begann das Ostvolk, sein bis dahin über die Westmedien, speziell das Fernsehen bezogenes Westbild zu korrigieren. Mehrheitlich haben die Ossis inzwischen ihre Skepsis gegenüber der DDR-Obrigkeit auf die neue Obrigkeit ausgedehnt, ohne allerdings die Aufmüpfigkeit der Wendezeit wiederzubeleben.

Inzwischen hat der globale Kapitalismus seine Unfähigkeit zur Schaffung „blühender Landschaften“ ebenso unter Beweis gestellt wie seinerzeit der Realsozialismus, und die Völker der Erde haben bisher nicht einmal genug gemeinsamen Druck entfalten können, um die sie bedrohenden Klimakatastrophen zu verhindern, geschweige denn, dass sie der neoliberalen Politik der Industriestaaten Einhalt gebieten konnten.

Die Geschichte des schwächeren deutschen Teilstaats, der ein Ergebnis der durch die westlichen Siegermächte mit Einverständnis des Adenauer-Regimes durchgeführten Teilung Deutschlands war, schrumpft heute in den Mainstreammedien auf die Formel Stasi- und Unrechtstaat. Die „friedliche Revolution“, der als Ziel die „Einheit Deutschlands“ unterstellt wird, sei das Werk einer von den Kirchen geführten Widerstandsbewegung und somit ebenso erfolgreich gewesen wie das „Erfolgsmodell Bundesrepublik“. Wer wagt es dann noch davon zu reden, dass man vom DDR-Bildungssystem, seinem Gesundheitswesen, seinen Familiengesetzen, seiner entschleunigten Arbeitswelt, ja sogar seiner Behandlung von (nicht politischen) Rechtsbrechern positive Anregungen für das vereinigte Deutschland hätte übernehmen können.

Wo Geschichte vereinseitigt wird und Ideologie an die Stelle von Analysen tritt, dort werden stets handfeste Machtinteressen bedient. Das ist heute nicht anders, als es in der DDR war.

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